Archiv 2015:
VwGH legt strenge Maßstäbe an verdeckte Ausschüttung bei „Entnahmen“ aus der GmbH
Bei Liquiditätsbedarf, etwa um die Kosten der Lebensführung bestreiten zu können, ist es dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (regelmäßig GmbH) rechtlich nicht möglich, einfach Geldmittel aus der Kapitalgesellschaft zu entnehmen. De facto erfolgt dies jedoch über die Führung eines Verrechnungskontos für den Gesellschafter bei der GmbH, welches die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abbildet. Entnimmt der Gesellschafter liquide Mittel aus der GmbH, so ist dies mit einem Darlehen seitens der GmbH an den Gesellschafter zu vergleichen.
Im Rahmen von Betriebsprüfungen bei der Gesellschaft stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Überlassung von liquiden Mitteln an den Gesellschafter eine Forderung am Verrechnungskonto darstellt oder aber als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen ist. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist üblicherweise anzunehmen, wenn die Gesellschaft dem Gesellschafter einen Vorteil aufgrund seiner Gesellschafterstellung zuwendet, den sie unter vergleichbaren Umständen einem Fremden nicht gewährt hätte. Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung an eine natürliche Person kommt es zu 25% KESt (bzw. zu 33,33% wenn die KESt von der Gesellschaft übernommen wird).
UFS bzw. BFG sowie der VwGH hatten sich schon oftmals mit der umstrittenen Thematik auseinanderzusetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat unlängst in zwei Entscheidungen (GZ 2011/13/0015 vom 17.12.2014 und GZ 2012/15/0177 vom 26.2.2015) betont, dass keineswegs grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass eine „Entnahme“ von Geldmitteln durch den Gesellschafter aus der Kapitalgesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt. Entgegen der Ansicht des UFS misst der VwGH formalen Aspekten wie etwa dem Zeitpunkt der vertraglichen Grundlage für eine Darlehensvergabe durch die Gesellschaft an den Gesellschafter oder dem Zeitpunkt der Zinsfälligkeit wenig Bedeutung zu. Hingegen ist für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung entscheidend, ob die Rückzahlung der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge (Verbindlichkeit des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft) von vornherein nicht gewollt war oder wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war. In einem solchen Fall wäre nämlich die buchmäßige Erfassung der vollen Forderung (gegenüber dem Gesellschafter) nur zum Schein erfolgt und keine durchsetzbare Forderung der Gesellschaft an die Stelle des ausgezahlten Betrags getreten. Aufgrund des gesellschaftsrechtlich zwingenden Rückgewähranspruchs der Gesellschaft wird üblicherweise vom Vorliegen einer Forderung auszugehen sein.
Aus diesen VwGH-Erkenntnissen kann abgeleitet werden, dass wenn von der Gesellschaft dem Gesellschafter ein Vorteil (z.B. Geld) zugewendet wird und zeitnah durch eine Forderung gegenüber dem Gesellschafter ausgeglichen wird, grundsätzlich nicht von einer verdeckten Ausschüttung auszugehen ist. Ebenso wenig liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn ein Gegenstand von der GmbH zu einem fremdüblichen Preis an den Gesellschafter verkauft wird und im Gegenzug keine Barzahlung erfolgt, sondern von der GmbH eine Forderung eingebucht wird. Eine verdeckte Ausschüttung könnte hingegen dann angenommen werden, wenn keine durchsetzbare Forderung bei der Gesellschaft vorliegt, was anzunehmen wäre, wenn der Gesellschafter im Zeitpunkt des Geldflusses über keine ausreichende Bonität verfügt und zudem auch keine entsprechenden Sicherheiten beigebracht worden sind.
Für den Steuerpflichtigen sind diese beiden VwGH-Entscheidungen sehr erfreulich, da bei „Entnahmen“ aus der GmbH wohl nur bei Vorliegen bestimmter Umstände und nicht pauschal von einer verdeckten Ausschüttung aufgrund formaler Kriterien ausgegangen werden kann. Gleichwohl dürfte es ratsam sein, einen Rahmen für die Ausnutzung des Verrechnungskontos festzulegen, um die Bonität des Schuldners besser beurteilen zu können. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass das Verrechnungskonto auch Rückzahlungen des Gesellschafters aufweist und die Gesellschaft nicht als „Selbstbedienungsladen“ für den Gesellschafter dient. Verschlechtert sich die Bonität des Gesellschafters nach der Darlehensvergabe, so könnte jedoch eine verdeckte Ausschüttung vorliegen, sofern die GmbH die Fälligstellung bzw. die Eintreibung der Forderung unterlässt.