Kosten können regelmäßig dann steuerlich als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, wenn sie außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Darüber hinaus dürfen die Kosten weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgabe sein. Das BFG hatte sich (GZ RV/7104316/2020 vom 4.8.2021) mit dem Fall auseinanderzusetzen, in dem beträchtliche Fahrtkosten für den Besuch des bei der Mutter lebenden, gemeinsamen Sohnes vom (Kinds)Vater als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden sollten.
Ausgangspunkt dabei ist, dass die Kindesmutter und der rund 11 Monate alte Sohn nach einer gemeinsamen Zeit mit dem Kindsvater in Österreich nach Tschechien zu ihrer Mutter gezogen ist und dem Kindsvater durch ein tschechisches Gericht neben Unterhaltsverpflichtungen auch Kontakt- bzw. Besuchsrechte eingeräumt worden sind. So hat der Kindsvater das Recht, an geraden Wochenenden von Freitag bis Sonntag Zeit mit seinem Sohn zu verbringen (darüber hinaus an jedem zweiten Geburtstag sowie zu einer längeren Zeit während der Ferien). Dabei wird der Sohn jeweils bereits am Freitag vom Vater abgeholt und am Sonntag zur Mutter zurückgebracht. Mit der Ausübung des Kontaktrechts durch den Vater waren rund 600 km Autofahrt jeweils pro Wochenende verbunden, welche durch ein Fahrtenbuch nachgewiesen werden konnten. Die Wegstrecke setzt sich aus jeweils 150 km pro Richtung für das Abholen bzw. das Zurückbringen des Kindes aus bzw. nach Tschechien zusammen. Eine sinnvolle Eisenbahnverbindung als Alternative zur Fahrt mit dem Pkw steht nicht zur Verfügung.
Das BFG setzte sich im Rahmen seiner Entscheidungsfindung im Detail mit den Parametern der Gewöhnlichkeit, Zwangsläufigkeit usw. auseinander. So ist es bei der Ausübung des Kontaktrechts i.Z.m. einem gemeinsamen Kind gewöhnlich, dass die Abholung und das Zurückbringen des Kindes jeweils im näheren Umkreis erfolgt. Im konkreten Fall hingegen sind die Kosten für rund 600 km Autofahrt für jeden Besuch des Kindes als außergewöhnlich anzusehen. Bei der Beurteilung der Zwangläufigkeit einer außergewöhnlichen Belastung kann zwischen drei Gründen unterschieden werden (Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen, rechtlichen und aus sittlichen Gründen). Da im konkreten Fall Kindsmutter und -vater nicht verheiratet waren, kann die Zwangsläufigkeit nach Meinung des BFG nicht von vornherein wegfallen, da es sich nicht um Aufwendungen im Gefolge einer einvernehmlichen Ehescheidung handelt. Die Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (z.B. aufgrund von Naturkatastrophen, Krankheitskosten usw.) trifft hier ebenso wenig zu wie jene aus rechtlichen Gründen. Im konkreten Fall ist jedoch die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen gegeben – insbesondere dadurch, dass sich der Vater (auch gerichtlich) um die Gewährung ausreichender und umfangmäßig üblicher Kontaktrechte zu seinem Sohn bemüht hat. Nicht zuletzt dadurch, dass er durch die gemeinsame Zeit mit seinem Sohn ausreichend Kontakt hatte und an dessen Erziehung teilnahm, sind im vorliegenden Fall die (sehr hohen) Fahrtaufwendungen für die Ausübung seiner Kontaktrechte zu seinem Sohn aus sittlichen Gründen als zwangsläufig anzusehen.
Eine weitere Voraussetzung für die steuerliche Absetzbarkeit als außergewöhnliche Belastung ist, dass die Belastung nicht bereits durch Absetzbeträge abgegolten wird. Für das BFG entscheidend ist diesbezüglich, ob der Zweck des Abholens und Zurückbringen des Sohnes unter die Leistung des gesetzlichen Unterhalts subsumiert werden kann. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten und daher können damit zusammenhängende Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Die unmittelbare Leistung von Erziehung und Kontaktpflege durch die Eltern bzw. einen Elternteil sind als ideelle Leistungen an das Kind zu sehen, welche nicht zu den Leistungen des gesetzlichen Unterhalts zählen. Im Endeffekt konnte der Vater die Fahrtkosten für das Abholen und Zurückbringen des bei der Mutter in Tschechien lebenden Sohnes als außergewöhnliche Belastung (mit Selbstbehalt) geltend machen.