Archiv 2014:
BMF-Erlass zur grenzüberschreitenden Arbeitskräftegestellung
Nachdem der VwGH im Mai 2013 zu einer bedeutsamen Entscheidung in punkto grenzüberschreitende Arbeitskräftegestellung gekommen ist, hat nunmehr das BMF in einem Erlass (BMF-010221/0362-VI/8/2014 vom 12. Juni 2014) diese Rechtsprechung umgesetzt und konkretisiert. Die VwGH-Entscheidung besagt, dass der abkommensrechtliche Begriff „Arbeitgeber“ gem. Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen nach wirtschaftlichem Verständnis auszulegen ist. Es kommt also aus österreichischer Perspektive für das Besteuerungsrecht an den unselbständigen Einkünften des überlassenen Arbeitnehmers nicht darauf an, wer der formale Arbeitgeber ist bzw. die Arbeitnehmervergütung auszahlt, sondern wer sie wirtschaftlich tragen muss.
Während die österreichische Finanzverwaltung früher grundsätzlich der Ansicht war, dass bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung für die Bestimmung des Arbeitgebers i.S.d. DBA an zivilrechtliche bzw. arbeitsrechtliche Merkmale anzuknüpfen sei, führt das Abstellen auf den wirtschaftlichen Arbeitgeber nunmehr dazu, dass dem Beschäftiger (Gestellungsnehmer) und nicht mehr dem Überlasser die Arbeitgebereigenschaft zukommt. In Folge zeigt die 183-Tage-Regelung nur mehr in Ausnahmefällen Wirkung – regelmäßig kommt dem Tätigkeitsstaat (Beschäftigerstaat) das Besteuerungsrecht zu. Von Bedeutung ist, dass sich der Erlass ausschließlich auf das zwischenstaatliche Steuerrecht bezieht und auch nur auf reine Passivleistungen (d.h. die klassische Arbeitskräfteüberlassung) anzuwenden ist. Folglich ist der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff nicht für Aktivleistungen maßgebend – eine solche Aktivleistung ist beispielsweise anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer für mehrere Wochen zu einer ausländischen Tochtergesellschaft entsendet wird, um dort die Umsetzung einer weltweiten Marketingstrategie zu überwachen.
In „Outbound-Fällen“ (Entsendung eines österreichischen Arbeitnehmers ins Ausland) stellt Österreich die auf die Überlassungstätigkeit entfallenden Einkünfte des Dienstnehmers zur Besteuerung im Tätigkeitsstaat frei (unter Progressionsvorbehalt), sofern auch der andere Staat der wirtschaftlichen Auslegung des Arbeitgeberbegriffs folgt und von seinem Besteuerungsrecht ausgeht. Für die Steuerfreistellung in Österreich sollte aus Dokumentationszwecken ein Besteuerungsnachweis des Beschäftigerstaats vorgelegt werden. Alternativ kann dem Erlass folgend auch dann in Österreich eine Steuerfreistellung erreicht werden, wenn nachgewiesen wird, dass sich durch Anwendung des ausländischen nationalen Rechts keine Besteuerung ergibt. Bei Arbeitskräfteüberlassungen nach Österreich (“Inbound-Fälle“) spielt die tatsächliche Dauer nunmehr ebenso keine Rolle. Das Besteuerungsrecht Österreichs an dem entsprechenden Gehalt für den entsendeten Arbeitnehmer kann entweder durch die Option zum freiwilligen Lohnsteuerabzug oder durch die Einbehaltung und Abfuhr einer 20%igen Abzugsteuer auf die Gestellungsvergütung erfüllt werden (d.h. der österreichische Beschäftiger überweist nur 80% an den ausländischen Überlasser). Die Abzugsteuer gilt grundsätzlich gleichermaßen für die gewerbliche Überlassung von Personal (zwischen fremden Dritten) wie auch für Arbeitskräfteüberlassung im Konzern. Immerhin sieht der Erlass vor, dass bei der Arbeitskräfteüberlassung im Konzern bestimmte Teile der Gestellungsvergütung, wie etwa Lohnnebenkosten, Gemeinkosten und Gewinnaufschlag, aus der Bemessungsgrundlage für die Abzugsteuer auszuscheiden sind.
Schließlich behandelt der Erlass noch die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung im Verhältnis zu Deutschland. Durch die nunmehr diametral geänderte Ansicht Österreichs kommt es zur Übereinstimmung mit Deutschland dahingehend, dass die 183-Tage-Regelung nur für die gewerbsmäßige Arbeitskräfteüberlassung gelten soll. Für sonstige Formen der Personalüberlassung, wie etwa im Konzern, gilt, dass das beschäftigende Unternehmen als Arbeitgeber im Sinne des DBA anzusehen ist und daher die Dauer der Überlassung für das Besteuerungsrecht keine Rolle spielt.
Positiv ist, dass es durch die geänderte Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung hin zum wirtschaftlichen Arbeitgeber vermutlich zu weniger Qualifikationskonflikten mit anderen Staaten kommen wird. Allerdings ist durch die Eindämmung der 183-Tage-Regelung als Toleranzregelung für kurzfristige Arbeitskräfteüberlassungen sowie durch zusätzliche Nachweispflichten ein erhöhter administrativer Aufwand für den Steuerpflichtigen zu erwarten.