Archiv 2017:
Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen durch das Multilaterale Instrument
Anfang Juni 2017 haben 68 Staaten, neben Österreich alle EU- und EWR-Staaten mit Ausnahme von Estland, in Paris das sogenannte Multilaterale Instrument (MLI) unterzeichnet. MLI steht für „Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting” und soll es ermöglichen, die im BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) Projekt der OECD erarbeiteten Änderungsvorschläge rasch und relativ unkompliziert ins nationale Recht umzusetzen. Der große Vorteil besteht also darin, dass nicht jedes DBA (langwierig) bilateral neuverhandelt werden muss. Stattdessen geben die teilnehmenden Staaten bekannt, welche in dem MLI vorgesehenen bzw. möglichen Änderungen sie in ihren DBAs umsetzen möchten – bei Übereinstimmung mit dem anderen DBA-Staat kommt es dann zur (quasi automatischen) Änderung. In Österreich wurde das „Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung” (es handelt sich dabei wie bei DBAs üblich um einen Staatsvertrag) im Nationalrat und im Bundesrat beschlossen.
Bedeutendes Ziel des mitunter durch das MLI durchgesetzten BEPS-Projekts ist, dass der Ort, an dem die steuerpflichtigen Gewinne eines Unternehmens ausgewiesen und besteuert werden, besser mit dem Ort übereinstimmt, an dem die Wirtschaftstätigkeit stattfindet sowie die Wertschöpfung erfolgt. Außerdem soll die Rechtssicherheit für international agierende Unternehmen erhöht werden, indem Doppelbesteuerungskonflikte verbindlich (z.B. durch die Aufnahme eines Schiedsverfahrens in die DBA) und vor allem schneller gelöst werden können. Es soll nicht nur Doppelbesteuerung verhindert werden, sondern auch durch aggressive Steuerplanung und Abkommensmissbrauch hervorgerufene doppelte Nichtbesteuerung. Österreich hat derzeit mit rund 90 Staaten ein DBA abgeschlossen; durch das MLI sollen nun in 38 DBAs Änderungen vorgenommen werden (z.B. in den DBAs mit Deutschland, China, Frankreich, Spanien, Türkei, Russland, usw.).
Das MLI ist vergleichbar einem DBA aufgebaut – bedeutende Elemente sind etwa Hybride Gestaltungen, Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen, Verhinderung der Begründung von Betriebsstätten, Verbesserung von Streitbeilegungsmechanismen und Schiedsgerichtsverfahren. Österreich hat sich dazu entschlossen, den vorgeschlagenen Mindeststandard an Änderungen durch das MLI zu übernehmen. Dieser umfasst uA das Ziel der Bekämpfung der Nichtbesteuerung im Rahmen der Auslegung des Abkommens wie auch die Verhinderung von Abkommensmissbrauch. Hierbei hat sich Österreich für den sogenannten „Principal Purpose Test“ entschieden, welcher DBA-Begünstigungen für Transaktionen versagt, wenn deren Hauptzweck in dem ausschließlichen Erlangen solcher Begünstigungen liegt. Die Umsetzung anderer Änderungen in österreichische DBAs hängt davon ab, ob der andere Vertragsstaat auch gewillt ist, seine DBAs dahingehend zu verändern. Es handelt sich dabei z.B. um das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats bei bestimmten Qualifikationskonflikten zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung, die Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten gelegene Betriebsstätten, Gegenberichtigungsverpflichtungen für Verrechnungspreise und Schiedsverfahren mangels Einigung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nach drei Jahren. Nicht umsetzen mittels MLI möchte Österreich (d.h. Österreich hat Vorbehalte dagegen) etwa Änderungen i.Z.m. hybriden Gestaltungen oder bei der Aufteilung von Verträgen zur Betriebsstättenvermeidung.
Nicht nur im Rahmen des MLI selbst, sondern auch danach haben die teilnehmenden Staaten vollste Flexibilität hinsichtlich möglicher Veränderungen an ihren Doppelbesteuerungsabkommen – auch etwa durch (traditionelle) bilaterale Verhandlungen zu einem späteren Zeitpunkt. Die vollständige Umsetzung des MLI in den einzelnen DBAs wird voraussichtlich 2019 bzw. 2020 vollzogen sein. Es wird dann auch zu einer Änderung des OECD-Musterabkommens – gleichsam als Schablone für DBA – gekommen sein. Bis dahin ist es bei Sachverhalten drohender Doppelbesteuerung wichtig, nicht nur das noch aktuelle DBA zu konsultieren, sondern auch die übereinstimmenden bzw. unterschiedlichen Punkte der beiden Staaten aus dem MLI zu berücksichtigen